Maya and Aztec

Ancient Mesoamerican civilizations

250000 Einwohner zählte die Stadt

Category: Alt-Mexico und seine Kunst

„Es war bei weitem die größte und wundervollste Stadt des vorspanischen Amerikas. Größer in ihren Aus­maßen als Athen, größer als Rom“ sagte Jorge Acosta, der 1962 mit 550 Arbeitern und 37 Archäologen daran­ging, die Metropole der theokratischen Kultur auszugraben. (Mexikos Präsident stellte für dieses umfangreiche Unternehmen 1.320.000 Pesos zur Verfügung.) Auf 250 000 Einwohner schätzte Acosta die Bevölkerung von Teotihuacan zum Zeitpunkt, als es seine volle Größe erreicht hatte.

Über die Träger dieser „klassischen“ Kultur wissen wir heute mehr als die Azteken vor der Ankunft der Spanier; aber wir wissen längst nicht genug. Weder die Geschichte noch der Name eines Priesters oder Herrschers hat sich erhalten, noch weiß man, welcher Volksgruppe ihre Erbauer angehörten, welche Sprache die ihre war und wie die Bewohner die Stadt selbst nannten. Die Azteken erzählten den Spaniern, als sie in das Land kamen, die Erbauer dieser verlassenen Stadt seien Riesen gewesen, ein Geschlecht, das mit einer der vorherigen Welten untergegangen war. Mancher Europäer glaubte es noch lange und sah die Bestätigung in den überdimensio­nalen Knochen von längst ausgestorbenen Tierarten, die sich zuweilen in dieser Gegend finden. Der von azteki- schen Adligen informierte Franziskanerpater Sahagün schrieb: „Sie nannten den Ort Teotihuacan, weil es der Begräbnisplatz der Könige war; und die Alten sagen von ihnen, wer gestorben ist, ist zum Gott geworden. Wenn man sagte, daß er nun teotl (Gott) sei, dann heißt das so viel wie, er ist schon tot.“ Sahagün sammelte kurz nach der Eroberung die Aussagen seiner indianischen Gewährsleute, die in aztekischer Sprache die alten Überlieferungen aufzeichneten. Vielleicht ahnte der Pater, daß eine europäische Sprache nur schwerlich die Bildhaftigkeit der mexikanischen wiederzugeben vermag (Der „Codex Florentinos“ wurde in neuester Zeit aus dem Aztekischen übersetzt von A. J. Anderson un Ch. E. Dibble, herausgegeben mit der Universität Utah, Santa Fe, New Mexiko, 1952-64. Sahagun selb: übersetzte die von ihm gesammelten Aufzeichnungen seiner aztekischen Gewährsleute und gab sie unter die Titel „Historia General de las Cosas de Nueva Espana“ heraus. Die jüngste Ausgabe, mit zahlreichen Kom­mentaren von Angel Maria Garibay K. versehen, erschien in Mexiko 1956. Übersetzungen einiger Kapitel in das Deutsche stammen von L. Schultze, Jena: „Wahrsagerei, Himmelskunde und Kalender der Azteken“, aus dem Nachlaß herausgegeben von Gerdt Kutscher, Stuttgart 1950. „Gliederung des alt-aztekischen Volks in Familie, Stand und Beruf“, Stuttgart 1952. Auch Eduard Seler veröffentlichte in seinen gesammelten Abhand­lungen, Berlin 1902-15, neu aufgelegt Graz 1962, sowie in einem 1927 aus dem Nachlaß erschienenen Werk Aufzeichnungen von Sahagun.).

Kult und Opfer

Teotihuacan, „der Ort, wo sie zu Göttern wur­den“ – das alles drücken die paar Silben aus – „war eine leuchtende Stadt, rot schimmernd wie Blut, und wäre Blut über die Stufen herabgeronnen, man hätte es nicht wahrgenommen“ (Jorge Acosta). Und das Blut floß in Teotihuacan zu Ehren der Götter. Die Ausgräber fanden Malereien von menschlichen Herzen und daneben Opfermesser aus Obsidian, sie brachten flache Teller aus Gehirnschalen an den Tag und gruben rote und gelbe Töpfe mit menschlichen Oberschenkel- und Hüftknochen aus, Zeugen von religiösem Kanibalismus. Auch die Selbstkasteiung pflegten die Teotihuakaner, wie die Maya-Indianer. Sie schnitten sich Finger und Augenlider ab und tränkten mit ihrem Blut das amatl (aztekische Bezeichnung für Papier aus Pflanzenfasern). In kleinen Scha­len wurde dann die Opfergabe verbrannt. Doch das größte Opfer der Teotihuakaner bestand zweifellos in der Errichtung ihrer Stadt mit den gewaltigen Pyramiden, breiten Straßen und weiträumigen Palästen. Für eine „Steinzeit-Kultur“, die weder Zug- noch Lasttier kannte, die das Rad nicht anwandte (Grabbeigaben in Mexiko liefern den Beweis, daß die Ureinwohner Amerikas, zumindest in diesen Zonen, das Rad kannten. Jaguare oder andere Tiere auf vier Rädern stehend, fanden sich in den Gräbern der Golf­küste. Ob es sich dabei um Kinderspielzeug oder sakrale Gegenstände handelt, ist unbekannt geblieben. Die Anwendung des Rades, diese für die „Alte Welt“ so wichtig erscheinende Erfindung, war in Amerika ohne die Hilfe eines Zugtiers nur von sekundärer Bedeutung.), stellen die Bauwerke sowie die gesamte Anlage dieser Stadt zweifellos eine ungeheuere menschliche wie geistige Leistung dar. Die treibende Kraft konnte nur eine jedermann verständliche und ihn berührende Religion gewesen sein, denn die Funde, seien sie en miniature oder monumental, spiegeln das friedliche Weltbild einer theokratischen Agrar­gesellschaft wider, sehr zum Unterschied der vorhergegangenen kriegerischen Olmeken und der nachfolgenden Tolteken.


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