Maya and Aztec

Ancient Mesoamerican civilizations

Bilderschrift, Sprache und Poesie

Category: Alt-Mexico und seine Kunst

Von den Fresken hat sich in Tenochtitlan nichts erhalten. Die wenigen übriggebliebenen Fragmente aus dieser

Zeit stehen im Schatten der wundervollen Wandmalereien von Teotihuacan und haben nur geringe künstlerische Bedeutung. Einen ähnlichen Rückschritt in der Qualität, gemessen an den mixtekischen Vorläufern, zeigen die aztekischen Bilderschriften. Der Schritt von der Ideenschrift zur Lautschrift, bei der jedes Bild einen Wortbestandteil ausdrückt, bahnt sich in den Orts- und Namenshieroglyphen der Azteken bereits an. Zur nächsten Stufe allerdings, zum Alphabet, konnte die indianische Welt nicht mehr aufsteigen, denn gerade während dieser Entwicklung kamen die Spanier und mit ihnen die lateinischen Lettern.

Der Verlust wird jedoch entschädigt durch die Aufzeichnungen in aztekischer Sprache, die in lateinischer Schrift und zu Beginn der spanischen Kolonialzeit von Indianern oder weitblickenden Europäern niederge­schrieben wurden. Diese Manuskripte bringen uns erstmalig eine bisher unbekannt gebliebene Kunst, die der Dichtung, näher. Fast alle Aufzeichnungen stammen aus dem Raum der aztekischen Kultur, aus dem Gebiet, in dem die abendländische mit der indianischen am härtesten zusammenstieß.

Die Sprache der Azteken, das Nähuatl, ist ein schönes und klangreiches Idiom. Durch ihre Grammatik und den reichen Schatz an Verben ergeben sich unzählige Möglichkeiten zur Abstraktion, die fast jedes gewünschte Bild durch Wortkombinationen erlauben. Zuweilen genügt ein Wort, um einen ganzen Begriff wiederzugeben, der in der Übersetzung nur weitschweifend und mit mehreren Worten das Gleiche auszudrücken vermag. Es ist eine doppelsinnige Sprache, in der sich die feinsten Schattierungen eines Gedankens aufzeigen lassen. Fast eine halbe Million Indios im Hochland und in den südlichen Tälern sprechen mit einer nur geringfügigen Veränderung noch heute das Nähuatl der Azteken. Neben dem Quetchua der Inka und den Sprachen der Maya-Völker ist das Nähuatl eine bekannte Literatursprache des vorspanischen Amerika, dessen mündlich überlieferte Werke nach der Eroberung zum Teil in lateinischen Lettern aufgezeichnet wurden.

Geschichtliche Erzählungen, Götterhymnen, Trauer- und Kriegslieder, Mythen sowie die Kunst der Wechselrede gehörten zum Unterrichtsprogramm der Priesterschulen (Ein prägnantes Beispiel der Wechsel reden, von dem wir Kenntnis haben, stammt aus der frühen Kolonialzei 1925 wurde sein Fragment im Geheimarchiv des Vatikans gefunden, das in mexikanischer Sprache aufgezeicl net ist. Den Indianern ging es darum, ihre alten Götter zu verteidigen, während die Christen sich bemühter in den „Colloquios“ ihre Ansichten zu vertreten. Walter Lehmann hat es übersetzt. Aus dem Nachlaß heraus gegeben von Gerdt Kutscher: „Sterbende Götter und christliche Heilsbotschaft – Wechselreden indianische Vornehmer und spanischer Glaubensapostel in Mexiko 1524“, Stuttgart 1949.). In den Bilderschriften konnte das poetische Moment dieser Dichtung nicht erfaßt werden. Berühmte Werke, wie die des Königs von Texcoco, dem Dichter­fürsten Nazahualcoyotl (1418-1472), wurden über Generationen hinweg mündlich weitergegeben. Sie waren im ersten Jahrhundert der Kolonialherrschaft noch im Gedächtnis der Eingeborenen, aber nur wenig weit­blickende Menschen nahmen sich dieser wertvollen Kulturgabe an, so daß ein erheblicher Teil der alt-mexika­nischen Dichtung in Vergessenheit geriet.


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