Maya and Aztec

Ancient Mesoamerican civilizations

Die „historische“ oder nachklassische Zeit, etwa 900-1521

Category: Alt-Mexico und seine Kunst

Tula und die Tolteken

Eine andere Situation als an der pazifischen Küste finden wir in Tula, der Metropole der toltekischen Kultur, die im Hochland das Erbe von Teotihuacan antrat. Als die Spanier nach Mexiko kamen, sprachen die Azteken noch im ehrfürchtigen Ton von den Tolteken, dem Volk der „Künstler und Baumeister“. Aztekische Adlige führten ihre Abstammung auf sie zurück, und manche ihrer Götter konnten in dem Legenden umwobenen Tollan (Tula) ein vorübergehendes Erdendasein nachweisen. In den alten Wandersagen und Quellen gibt es keinen Ort, der so häufig wie „die Binsenstadt“ erwähnt wird. Völker und Dynastien, die etwas auf sich hielten und ihren An­spruch auf Zivilisation anmeldeten, bezogen sich auf diesen alten Göttersitz, der in die Erinnerung als das „gelobte Land“ einging. Nicht nur, daß früher auf dem kargen und kalten Hochland die Gewächse der heißen Zone heranreiften, sie waren dort auch noch von märchenhafter Größe. Die prächtigen Vögel der Tropen umschwirrten die Berge, die angefüllt mit edlen Metallen und Steinen gewesen sein sollen. Mit anderen Worten, Tollan war das Paradies, und die Vertreibung, wie wir später sehen werden, blieb nicht aus.

Wie in vielen alten Sagen, so ist auch hier ein Körnchen Wahrheit zu finden. Bevor mit den Wäldern Mißbrauch betrieben wurde herrschte tatsächlich in dieser Gegend ein fruchtbareres Klima; die nur wenige Zentimeter dicke Schicht des Mutterbodens, die den Menschen Nahrung, Kleidung und Behausung lieferte, haben erst in späterer Zeit Trockenperioden und die heftigen Winde, die über das Plateau hinwegfegen, zerstört. Auch die übertriebene Forderung der theokratischen Kultur, den Göttern unzählige Pyramiden zu errichten, brachte den „Haushalt“ des Hochtals ins Wanken (vgl. S. 36).

Die Tolteken und „die Stummen“

Nachdem die Kultur von Teotihuacan verblaßt und die Stadt selbst in einem Flammenmeer untergegangen war, strömten kriegerische Nomadenstämme ungehindert aus dem Norden in die Mesa Central ein, unter ihnen die Tolteken. Sie vermischten sich mit den Alteingesessenen und nahmen deren höhere Kulturstufe an. Die „Historia Tolteca-Chichimeca“ berichtet von zwei Stämmen: den Tolteca-Chichimeca und den Nonohualca, den „Stummen“ oder „Anderssprachigen“, die nebeneinander in Tollan gesiedelt hätten. Nach Ansicht mexi­kanischer Forscher waren die „Stummen“, die auf einer höheren Kulturstufe standen, die Mixteken, denn nur sie blieben bei der Inventur der mexikanischen Völker übrig. Bereits zur klassischen Zeit hinterließen sie ihre Spuren in Cholula und trugen ihre Kultur bis nach Sinaloa nordwärts an der pazifischen sowie in das nördliche Vera Cruz an der atlantischen Seite. (Nach Süden reichte der Einfluß der Mixteken noch weiter. An der äußer­sten Grenze des Maya-Gebietes, im heutigen Quintana Roo und Belize, fand man stilistische Elemente dieser Kultur.) Die Vermutung besticht, ist aber noch keineswegs erwiesen, da gerade in Tollan mixtekische Scherben fehlen.

Die Tolteca-Chichimeca machen es uns leichter, ihre Geschichte zurückzuverfolgen. Dieses ein altertümliches Nahuatl sprechende Volk dominierte über die Alteingesessenen und verdrängte allmählich deren Sprache, von der wir nicht wissen, weiche es gewesen sein könnte. Aus den gegensätzlichen Strömungen, dem kriegerischen Geist der Nomaden und dem friedliebenden der Seßhaften, bildete sich im Laufe der Zeit ein Konglo­merat, das die toltekische Kultur mit ihrem Mittelpunkt in Tula formte. Die alten Berichte über Tollan (Tula) sind mythisch durchsetzt, manchmal so irreal, daß viele Wissenschaftler die toltekische Metropole vor ihrer Ausgrabung ins Reich der Sage zurückwiesen. Fast an ein archäologisches Wunder grenzen die Vorgänge seit 1940, als in der Nähe des heutigen Städtchens Tula Archäologen die Spaten ansetzten und es zur Gewißheit werden sollte, daß hier, nur 70 km nördlich der Hauptstadt, das oft beschriebene Tollan unter der Erde liegt. Noch unerwarteter kam der Fund eines Felsreliefs, das die bisher mythische Gestalt des Quetzalcoatls als einen realen Herrscher dieser Stadt bestätigte. Das Datum seines Regierungsantritts ist mit 980, der Untergang der Stadt (1168) – mit einem kleinen Irrtum von drei Jahren – mit 1171 in Stein gemeißelt.


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