Maya and Aztec

Ancient Mesoamerican civilizations

Die Götter

Category: Alt-Mexico und seine Kunst

Zu dem alten Feuergott Xiuhtecuhtli, „Herr des Türkises“ (Abb. 83,84), den wir schon aus der vorklassischen Zeit kennen, gesellen sich in „dem Ort, wo sie zu Göttern wurden“, Mexikos wichtigste Gottheiten: der Herr des Regens Tlaloc, „er, der aufsprießen macht“, die Wassergöttin Chalchiuhtlicue, „die Dame mit dem Jade­rock“ und der Frühlingsgott Xipe Totec, „unser Herr, der Geschundene“, der mit einer übergezogenen Men­schenhaut das Frühlingsgewand der Erde symbolisiert. Eine Erdgottheit, die in Form einer Kröte dargestellt ist, war mit der Unterwelt und dem Reich des Todes in Verbindung gebracht. Der freundlichste Herr im Pantheon von Teotihuacan aber war eine kleine, fettleibige Gottheit, deren Namen sich nicht erhalten hat. Ihm fehlt jede Magie. Allem Anschein nach war er der Gott des Rausches und der Fröhlichkeit, der Pulquegott.

Dieser Olymp, der von Jahrhundert zu Jahrhundert anwuchs, weil für neue Bedürfnisse neue Götter erfunden werden mußten, auch deshalb, weil mit der Expansion der Kultur und der Ausbreitung des Handels fremdes Ideengut und neue Gottheiten in Teotihuacan einsickerten, erforderte eine immer größere Priesterschaft, für deren Ausbildung Priesterschulen entstanden. Die polytheistische Religion und der immer komplizierter wer­dende Kult schufen die neuen Stände der Künstler und Baumeister, der Handwerker und Händler, die alle der Bauer zu versorgen hatte.

Bauwerke im Dienst des Kalenders

Bevor wir uns weiter mit dem Aufstieg und Niedergang der für das alte Mexiko so wichtigen Kultur beschäftigen, wollen wir einen Blick auf ihr Zentrum selbst werfen. Teotihuacan war in konzentrischen Ringen erbaut. In der Mitte befanden sich die Pyramiden und Tempel sowie der Markt und die Versammlungsplätze, darum herum die Wohnhäuser der Städter und im weiteren Umkreis, viele Meilen vom Stadtkern entfernt, die Bauernhöfe und Felder. Noch heute ist es die „Sonnenpyramide“, die ihrer gewaltigen Ausmaße wegen immer wieder die Blicke der Besucher auf sich zieht (Abb. 80). Sie steht isoliert und wetteifert mit den Bergen, die das Tal im Nor­den einsäumen. Mit ihrer Vorderfront liegt sie östlich neben dem „Camino de los muertos“, dem „Weg der Toten“, der gleich einer via sacra in 40 Meter Breite die Stadt durchschneidet. Der schwedische Archäologe Sigvald Linnd entdeckte, daß „der Weg der Toten“ und alle angrenzenden Bauwerke um 17 Grad von der Nord-Süd-Richtung abweichen, so daß die Ost-West-Achse von Bauwerken an zwei Tagen im Jahr mit der untergehenden Sonne eine Gerade bildet. Das geschieht an jenen beiden Tagen, an denen die Sonne den Zenit durchläuft. Wie in anderen Städten der klassischen Zeit ist die Orientierung der Bauwerke und der meisten größeren Monumente nicht zufällig. Sie stand im Dienste des Kalenders, um die Zeit zu orten, die so ungeheuer wichtige Zeit für die Ernährung der Menschen. Die Priester, die tief in den Kalender eindrangen, gaben den Bauern die Befehle für die Rodung der Felder und die Tage der Aussaat. Sie bestimmten das Einbringen der Ernte und forderten dafür Tribut für die Götter und ihre eigene Existenz.

Die „Sonnen-Pyramide“

Auf den weiträumigen Treppen der „Sonnenpyramide“, die weniger steil sind als die der klassischen Maya- Bauwerke, vollzog sich in alten Zeiten, für jedermann sichtbar, der eindrucksvolle Götterkult. Am unteren Absatz sind es zwei auseinanderliegende Treppen, die sich im nächsten zu einer breiten vereinen, um sich dann wiederum zu teilen, und nach der letzten Terrasse noch einmal zusammenfließen. Streng und großartig in den wuchtigen Bau eingefügt, tragen sie dazu bei, das Emporstreben zum Himmel, zu den Gestirnen, deutlich zu machen. Sie erfüllen die ruhende Masse des Pyramidensockels mit Leben. Der Beschauer, wenn er sie nur kurz betrachtet, findet die Sonnenpyramide nüchtern, verweilt er jedoch mit dem Blick, dann kommt er hinter die Ausgewogenheit der gesamten Komposition. Hier ist kein eingeengtes und mystisches Streben zu Gott zu spüren wie bei den gotischen Kathedralen, hier ist der Versuch unternommen, von der bodenständigen Kraft der Erde ausgehend, einen harmonischen Übergang zum Himmel zu erreichen. Der ursprünglich rötliche Ver­putz des mit Stuck überzogenen Bauwerkes muß in der Beleuchtung der aufgehenden sowie der untergehenden Sonne eine eindrucksvolle Vision gegeben haben.


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