Maya and Aztec

Ancient Mesoamerican civilizations

Maisgöttinnen oder Tänzerinnen

Category: Alt-Mexico und seine Kunst

Vaillant hält diese anmutigen Wesen für Maisgöttinen. Ich kann nicht so recht daran glauben, da sich der Typ im Laufe von Jahrhunderten immer mehr zu bacchantischen, kleinen Tänzerinnen mit allen weiblichen Koket­terien, kosmetischen Zutaten und modischen Neuheiten entwickelte. Das würde einer indianischen Auffassung von dem höchsten Gut, dem Mais, widersprechen. Diese kleinen Evas sind meines Erachtens Abbild einer sinnlichen Lebensfreude dieser anscheinend noch sorglosen Kultur.

Mixtekischer Bauer mit Holzpflug in der Nähe von Apoala (Mixteca Alta, Nord-West-Oaxaca). Noch über 70000 Mixteken leben in dem 2500 Meter über dem Meere gelegenen Hochland. Sie führen ein ärmliches und zurückgezogenes Leben, und nur die Ortsnamen wie Tilantongo und Chacaltongo erinnern noch an die mäch¬tigen Dynastien, deren Geschichte die Bilderhandschriften bis in das Jahr 692 zurückverfolgen.

Mixtekischer Bauer mit Holzpflug in der Nähe von Apoala (Mixteca Alta, Nord-West-Oaxaca). Noch über 70000 Mixteken leben in dem 2500 Meter über dem Meere gelegenen Hochland. Sie führen ein ärmliches und zurückgezogenes Leben, und nur die Ortsnamen wie Tilantongo und Chacaltongo erinnern noch an die mäch¬tigen Dynastien, deren Geschichte die Bilderhandschriften bis in das Jahr 692 zurückverfolgen.

Eine Bestätigung sehe ich auch in dem Fehlen einer ausgebildeten Religion wie im leichten und scheinbar widerspruchslosen Eindringen anderer Kulturele­mente am Ende der vorklassischen Periode. Sehr viel schwerer zu deuten sind zweiköpfige Figuren, oder gar solche, bei denen das Antlitz mit drei Augen, zwei Nasen und zwei kleinen Mündern dargestellt ist. Vielleicht sind Darstellungen des ersteren durch die Geburt von siamesischen Zwillingen angeregt, während die des letzteren den Versuch unternehmen, die Kopfbewegung einer Tänzerin plastisch auszudrücken (Abb. 3,4).

Einen ähnlichen Wunsch, die graziösen und bedeutenden Arm- und Handbewegungen des tanzenden Shiva auszudrücken, finden wir in der indischen Kunst. In unseren Tagen hat Picasso oft Verwandtes gemalt-übrigens lange bevor Tlatilco erschlossen wurde – und nur er allein könnte eine Auskunft über seine Gedankengänge geben. War es in Tlatilco Magie oder Spielerei? Wir müssen die konkrete Antwort schuldig bleiben, fest steht nur, daß diese Wesen mit dem Untergang von Tlatilco verschwinden und keinen Erben haben – es sei denn in einigen Bildern von Picasso aus der Zeit zwischen 1937 und 1938.

Sehen wir uns die „schönen Damen“ etwas genauer an. Selbst die ältesten einer tausendjährigen Entwicklung, die noch unbekleidet unter der Sonne Mexikos lebten, liebten es sich zu schmücken und ihr Gesicht und ihren Körper mit roter oder gelber Erde zu bemalen. Wahrscheinlich ist das mit Hilfe von Roll- und Flachstempeln, die man häufig in den Gräbern fand, geschehen. Auch die Haare waren mit rotem oder gelbem Farbstoff ge­färbt. Die Damen taten es, um den Männern zu gefallen, oder gibt es eine andere Erklärung ? Das Hauptschmuck­stück, das auch in späterer Zeit bei Männern einen Anhaltspunkt über Reichtum und Rang geben sollte, sind die Ohrpflöcke gewesen, teils aus bemaltem Ton, teils – bei den höherstehenden Personen – aus polierten farbigen Steinen. Neben dieser fast obligatorischen Zier trug man Halsketten, und wer besonders schön sein wollte, mußte auch damals leiden. Schier unvorstellbar sind die Funde von Schneidezähnen mit grünen Jade­einlagen. Für eine solche dentistische Schönheitsoperation standen nur Steinwerkzeuge zur Verfügung. Noch ohne Kleidungsstücke, von den zierlichen Sandalen abgesehen, zeigen fast alle „schönen Damen“ prachtvolle und viel­seitige Frisuren. An der Gestaltung der Haartrachten werden die Versuche des Künstler sichtbar, individuelle Persönlichkeiten darzustellen. In San Antonio, ebenfalls ein Gräberfeld unweit der Hauptstadt, chronologisch mit Tlatilco ungefähr gleichliegend, sind die Frisuren so übertrieben, daß man sie für Karikaturen halten könnte. Jedenfalls erinnern sie an die überzüchteten und hochaufgetürmten Perücken des französischen Rokoko.

Das Schönheitsideal wandelt sich

In den mehr als tausend Jahren, die die Mittelkultur einnimmt, wandelte sich auch physisch der Typ der Frau, beziehungsweise das Schönheitsideal. Anfangs zeigen sich die kleinen Evas mit üppigen Brüsten und weitaus­geschwungenen Hüften, sie könnten nahe Verwandte der Venus von Willendorf sein. Bei ihnen ist man ver­sucht, an die Urmutter, an eine Göttin der Fruchtbarkeit zu denken. Im Laufe der Zeit werden sie immer grazi­öser, schmalhüftiger und koketter. Aus dem üppigen Busen werden kleine Brüstchen. Die Haltung wird tänze­rischer, und vom Gretchentyp mit den langen Zöpfen bis zur „Mondänen“ mit den tief in die Stirn hängenden Ponnyfransen findet sich in dem kleinen Tlatilco fast für jeden Geschmack etwas. Eigenartigerweise bilden die Männer in den Darstellungen eine Ausnahme. Würden nicht Knochen und Steinwerkzeuge in Verbindung mit männlichen Skeletten gefunden worden sein, könnte man fast an einen Amazonenstaat denken. Oder sind die vielen „schönen Damen“ des Archaikums doch der Beweis für eine frühe mutterrechtliche Pflanzerkultur? Trotz aller Lieblichkeit, Koketterie und Sinnlichkeit dieser kleinen irdenen Frauenzimmer, fehlen sexuelle und obszöne Darstellungen. (Unter Tausenden von Funden ist mir nur ein geschlechtliches Symbol bekannt: ein kleines Tonfigürchen, halb Phallus, halb Frauenkörper.

Nicht nur die frei modellierten Figuren zeigen das starke Anwachsen der künstlerischen Ausdrucksfähigkeit, sondern auch die ganze übrige Keramik. Manchmal wird der Vasenkörper zu einer feinen künstlerischen Figur verarbeitet. Das dem Totenkult dienende zeremonielle Gefäß der mittleren Phase zeigt Seevögel, Hunde oder Menschen, die aus den konventionellen Gefäßformen entwickelt sind. Manchmal geht der Künstler einen Schritt weiter und modelliert fast frei, und nur noch der Ausguß erinnert daran, daß es sich bei der Skulptur um ein Gefäß handelt (Abb. 7,8). Eine aus Tlatilco dreimal überlieferte Darstellung zeigt einen Akrobaten, bei dem bewußt alle Möglichkeiten genutzt sind, den menschlichen Körper in seiner Schönheit zu zeigen. Dieser eigentlich unindianische Zug, auch den menschlichen Körperformen etwas abzugewinnen, findet sich sehr selten. Meist gibt der Künstler einer strengen Stilisierung dem Realen gegenüber den Vorzug (Abb. 2).


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