Maya and Aztec

Ancient Mesoamerican civilizations

Die Totonaken

Category: Alt-Mexico und seine Kunst

Eine anders geartete Welt betritt der Reisende, der vom kargen Hochland der Mixteken in das suptropische Gebiet der mittleren Golfküste herabsteigt, die heute noch zum größten Teil von den Totonaken bewohnt wird. Fröhliche Lieder und heitere Tänze, weiß gekleidete und saubere Menschen sowie der Duft von Vanille ver­mitteln ein gegensätzliches Bild; und wer in die Vergangenheit zurückgräbt, findet hier sogar lachende Götter und eine nahezu barocke Tempelarchitektur. Das Gesicht der Golfküste, nur eines der vielen des alten, großen Mexiko, ist das einzige, das schon in vorspanischer Zeit auch Freude und Lebensbejahung zeigte.

Da man nur annehmen, doch nicht beweisen kann, daß die Totonaken in der klassischen Zeit schon die Bewoh­ner des Landes waren, hilft sich die Wissenschaft mit der Unterscheidung zwischen Tajfn-Totonaken und Toto­naken, dem Volksstamm, den die Spanier bei ihrer Landung in Mexiko als ersten antrafen und der, seiner Tributverpflichtungen gegenüber den Azteken müde, sich auf die Seite der Eroberer stellte.

Die Stadt des „dicken Kaziken“

Die damalige totonakische Hauptstadt Cempoala, „der Ort der zwanzig Wasser“, stand unter der Führung des „dicken Kaziken“. Er verhandelte mit den Europäern und bot ihnen Hilfe an. Nach Berichten der Chronisten hatte die am Südrand des Reiches von Totonacapan gelegene Stadt etwa 25000 Einwohner. Wahrscheinlich ist diese Schätzung etwas übertrieben, aber selbst wenn wir die Hälfte davon annehmen, bleibt Cempoala für das 16.Jahrhundert eine Großstadt. Ihre freundschaftliche Begegnung mit der „Alten Welt“ mußte sie teuer bezahlen: 80 Jahre danach war die als so blühend und prunkvoll beschriebene Stadt wegen der von den Weißen eingeschleppten Seuchen verlassen. Heute ist sie eine weniger bedeutende Ruine, die nur noch die Fundamente ihrer größten Bauwerke zeigt.

El Tajln, der „Blitz“

El Tajin, eine andere Ruinenstätte im Gebiet der Totonaken, verdient mehr unsere Bewunderung und ist selbst im Zustand des Verfalls noch von überwältigender Schönheit. Wie Ausgrabungen ergaben, sind die Bewohner bereits im 13. Jahrhundert aus unbekannten Gründen abgewandert. Keiner der Konquistadoren und keiner der Mönche erhielt Kunde von El Tajln, was um so erstaunlicher anmutet, da die Ruinen nur sechs Kilometer von dem Marktflecken Papantla entfernt liegen, der in den Tributlisten der Azteken eine gewichtige Rolle spielte (Abb. 148).

El Tajfn (totonakisch „der Blitz“) bildete über einen großen Zeitraum hinweg ein aktives kultisches Zentrum und wahrscheinlich das einzige in ganz Mexiko, das den Zusammenbruch der klassischen Zeit überlebte. Die Entstehung der ersten Bauwerke fällt in das 5. und 6. Jahrhundert, und bis etwa zum 12. Jahrhundert zeichnet sich in dieser Stadt eine eigenständige und von anderen Stämmen unbeeinflußte Architektur ab. Erst dann erfährt die Bauweise der Tajm-Totonaken eine markante stilistische Veränderung, die zweifellos auf durchwandernde Toltekenstämme zurückzuführen ist. Mäandermuster und rechteckige Nischen, typische Elemente der Tajfn- Bauwerke, werden von großflächigen Fassaden verdrängt. Nach dem kurzen Zwischenspiel, etwa von 1130 bis 1180, wird auch diese Stadt aus uns unbekannten Gründen verlassen. Spuren von Bränden und einer gewalt­samen Zerstörung ließen sich bei der Ausgrabung nachweisen, nichts aber fand sich, um die Zerstörer zu identifizieren. War es, weil neue Götter den alten den Vorrang streitig machten, oder war es eine Rebellion der Bauern, die der Forderungen der Priesterkaste müde wurden?

Kunstgeschichtlich liefert die totonakische Kultur ein eigenartiges Phänomen. In ihrer Keramik weist sie mayoide Züge auf, in der Skulptur ihrer Spätzeit ist sie toltekisch beeinflußt und in ihrer Bauweise steht sie fast immer auf eigenen Füßen. Sie nahm nicht teil an der großen Entwicklung der Maya-Architektur, noch folgte sie in ihrer Schrift und dem Kalender sowie in anderen wissenschaftlichen Zweigen den südlichen Nachbarn.


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