Maya and Aztec

Ancient Mesoamerican civilizations

Tenochtitlan, die Hauptstadt

Category: Alt-Mexico und seine Kunst

Für Tenochtitlan, die aztekische Metropole, drängt sich die Frage auf, wie es möglich war, daß innerhalb eines so kurzen Zeitraumes aus einer kleinen sumpfigen Insel, die einer umhergejagten Minderheit als Unterschlupf diente, eine „Weltstadt“ entstehen, die von den Eroberern nur mit dem prächtigen und reichen Venedig ver­glichen werden konnte. Gerade dieser Vergleich mit der Lagunenstadt ist aufschlußreich und nicht nur äußerlich. Venedig ist ebenso die Gründung einer Minderheit, die sich vor den Hunnen in die schwer zugänglichen Lagunen zurückzog. Während aber die Entwicklung der Stadt Venedig fast ein Jahrtausend ausfüllt, hat sich in der „neuen Welt“ ein ähnlicher Vorgang in weniger als zwei Jahrhunderten ereignet. Der Machtentfaltung wie dem damit verbundenen Reichtum beider Städte liegt eine ähnliche Situation zu Grunde.

Venedig beherrschte durch seine Flotte große Teile des Mittelmeers und errichtete unter ihrem Schutz dem Handel eine Monopol­stellung. In Mexiko waren es die aztekischen Krieger, die bis an die Gestade beider Meere vordrangen und die Unterworfenen zu Tributleistungen verpflichteten. An strategisch wichtigen Punkten plazierten sie Garnisonen, um die Handelswege ihrer Kaufleute zu sichern. Die aztekische Soldateska diente neben den Bedürfnissen der Religion, durch das Herbeischaffen von Gefangenen für die Opfer, ebenso den weltlichen Bedürfnissen der Stadt. Rituelle und wirtschaftliche Bedeutung dieser Kriege sind bei den Azteken sehr schwach voneinander zu trennen. Tenochtitlan wie Venedig waren auf Grund ihres Inselcharakters uneinnehmbare Festungen. In aller Ruhe und Heimlichkeit konnten die Azteken in der „Neuen Welt“ ihr Kriegspotential für neue Raubkriege vorbereiten, und in Venedig, in der „Alten Welt“, die Händler ihre Waren speichern, ohne Gefahr zu laufen, durch feindlich gesinnte Nachbarn angegriffen zu werden.

Für die Verteidigung von Tenochtitlan genügte eine kleine Garnison, um die drei Zugangssrraßen zu bewachen. Erst Cortes mit seinem den Indianern entgegengesetzten technischen und strategischen Denken gelang es 1521, die Stadt mit Hilfe von Rennbooten von der Seeseite her zu erobern. In den Schriften der Konquistadoren drückt sich neben der Entrüstung über die grausamen Menschenopfer auch die Bewunderung über den großen Markt in dieser Stadt aus. Beeindruckt von der Fülle exotischen Reichtums, schrieb Cortes an seinen Kaiser Karl V.: „Die Stadt hat so viele Plätze, auf denen immerfort Markt von Lebens­mitteln und allerlei Dingen ist. Der Hauptplatz in der Mitte der Stadt ist doppelt so groß wie der von Salamanca und ringsum von Säulenhallen umgeben. Tag um Tag kommen hier 60000 Menschen zusammen, um zu kaufen und zu verkaufen. Man findet dort alle möglichen Waren aus allen Gegenden des Reiches zur Nahrung wie zur Kleidung, dazu Gegenstände von Gold, Silber, Kupfer, Messing, Blei, edlem Gestein, Leder, Bein, Muscheln, Korallen, Baumwolle und Federn.

Auch bietet man da selbst feil geglättete und ungeglättete Steine, gebrannte und ungebrannte Ziegel, Kalksteine, gehobelte und ungehobelte Balken und Bretter sowie Holz in jeder Gestalt. An einem besonderen Platz verkauft man allerhand Vögel: Truthühner, Feldhühner, Wachteln, wilde Enten, Wasserhühner, Turteltauben, Holztauben, Spatzen, Rohrvögel, Fittiche, kleine Weihen, Habichte, Falken, Adler und andere mehr; von etlichen Raubvögeln auch nur Federn, Köpfe, Schnäbel und Klauen. Ferner findet man Kaninchen, Hasen, Hirsche und kleine gemästete Hunde, die man hierzulande mit Vergnügen verspeist. An einem anderen Platze verkauft man alle Arten von Kräutern als Heilmittel und Salben. Es gibt Arzneigewölbe und Barbierstuben, sodann Läden, wo man Wein (Pulque), Kuchen und anderes zu essen und zu trinken kaufen kann …

Man verkauft auch Bienenhonig und Wachs, Sirup aus Maisstauden, ferner den süßen Saft der Agave, der besser schmeckt als Most … Baumwollgarn in Gebinden ist in allen Farben zu haben, ganz wie die Seide auf dem Markt in Granada; nur ist mehr von allem da. Des weiteren findet man Malerfarben in allen Tönen, darunter so glänzende wie sie nirgends besser gemacht werden können; gegerbte Wildhäute mit und ohne Haar, weiß oder gefärbt; allerlei Töpferwaren, Krüge, Töpfe, Pfannen, auch Fliesen, meistens gut bemalt. Der Mais wird in Körnern oder auch in Broten feilgeboten. Geflügel und Fische gibt es roh, gekocht oder einge­salzen … Kurzum, man bekommt auf den Märkten von Temixtitan (Tenochtitlan) alles, was nur irgendwo wächst, und in solchen Mengen und so vorzüglich wie nirgend. Die verschiedenen Waren dürfen nur an den dafür bestimmten Plätzen verkauft werden, worauf streng gehalten wird. Durchwegs verkauft man nach der Stückzahl oder nach Maß, nirgends nach Gewicht. Auf dem Hauptmarkte stehtein Gerichtshaus, in dem immer­dar zehn bis zwölf Richter ihres Amtes walten und über alle Marktstreitereien entscheiden. Sie haben auch Strafgewalt. Ferner gehen beständig Aufseher herum und prüfen die Maße der Verkäufer. Ich habe öfters gesehen, daß falsche Maße von ihnen genommen und zerbrochen wurden … Wenn man bedenkt, daß die Mexi­kaner Barbaren sind, nichts von Gott und dem Christenglauben wissen, und fern der gebildeten Welt hausen, so ist es wunderlich, daß sie in allen Dingen so treffliche Ordnung halten.“


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